Nicht hübsch, aber wirksam
Schon vor 5300 Jahren im Neolithikum führte Ötzi, der Mann aus dem Eis, Birkenporlinge mit sich. Gewiss kannte er ihre antibiotische Wirkung. Bemerkenswert ist, dass der Star unter den Porlingen, der hier besprochene Chaga, parasitisch an lebenden Birken wächst. Man fragt sich, warum gerade Pilze so viele wertvolle organische Wirkstoffe bergen. Nun, weil sie so verletzlich sind und sich nicht, wie viele andere Pflanzen, mit mechanischen Waffen, dornenbespickt und dickrindig, gegen Fressfeinde wehren können. Im Laufe der Evolution lernten die Pilze, chemische Keulen gegen ihre Fressfeinde zu schmieden: entweder mit bitter schmeckenden oder gar giftigen Substanzen.
Seit Jahrtausenden therapieren chinesische Heiler und russische Schamanen aus Sibirien erfolgreich mit Pilzen oder deren Auszügen. Das manische Verlangen der Pharmagewaltigen, die komplexen Pilz-Wirkstoffe zu isolieren oder gar synthetisch nachzubauen, ist vergebliche Liebesmüh. Auch ein feines Schweizer Uhrwerk kann man nicht mit Hammer und Meißel sezieren oder gar nachbauen, wohl aber den Chaga-“Fruchtkörper“ auf diese Weise vom Birkenstamm ernten.
Öffnet man die pechschwarze Chaga-Kruste, erscheinen im Inneren orange bis rotbraune Strukturen. Insgesamt wächst die anamorphe, also ungestaltete Form gemächlich heran. Es braucht schon fast zwei Jahrzehnte, bis das parasitäre „Baumgeschwür“ eine Größe von 20 cm erreicht. Vor allem in der tiefen Taiga bei extremen klimatischen Bedingungen und Temperaturen von unter ‒ 40°C gedeiht das Gesundheitselixier, zwar langsam aber prächtig. Wichtige Inhaltsstoffe des Chaga sind Melanin-Komplexe und Betulin. Diese stecken vor allem in den schwarzen Auswüchsen des Myzels, das voll mit Inhaltsstoffen der Birke und seinen Polysacchariden (Mehrfachzuckern) ist. Diese und andere Nährstoffe entzieht der „egoistische“ Pilzpirat über Jahre der Pilz-trächtigen Mutter-Birke selbst, und nicht dem Waldboden wie andere Pilze, die mit ihrem Baumwirt eine symbiotische Gemeinschaft pflegen. Für Birken ist der Schiefe Schillerporling, alias Chaga, als Parasit ein wahrer Todesengel, der bei den Heimgesuchten durch ständigen Nährstoffentzug eine Weißfäule erzeugt. Darunter versteht man den Prozess des Lignin-Abbaus.
In Sibirien schätzt man den Chaga als den König der Pilze, schließlich ist er nachweislich eine der stärksten Waffen gegen schwere Krankheiten wie bösartige Tumore, Diabetes und Morbus Crohn. In ganz Asien ist der Chaga als erprobtes Naturheilmittel anerkannt und gewinnt inzwischen rapide auch in Europa und Nordamerika an Ansehen. Die Nachfrage in den letzen Jahren stieg sprunghaft. Der Markt wurde mit Chaga-Produkten überschwemmt, deren Preise wohl aus Habgier durch skrupellose Hersteller durch billiges Vermehren von Myzel im Labor in Pulverform oder durch „Strecken“ der Kapsel-Inhalte mit farbähnlichen Füllstoffen (Zunderschwamm, Nüsse oder Birkenrinde) günstiger „gestaltet“ wurden, – indes mit mangelhafter Qualität. Unglaublich, – bisher ist in Deutschland der wundersame Heilpilz Chaga, alias Schiefer Schillerporling nahezu unbekannt. Man darf dem Waldgeist aus der frostigen Taiga – der Koryphäe unter den Pilzen – Dank seiner Heilerfolge einen größeren Bekanntheitsgrad in Deutschland wünschen. Bei uns, den Nachfahren Ötzis in der 200sten Generation, dürfte der legendäre Heilpilz normalerweise in keiner Haus- und Reiseapotheke fehlen!
Quelle: Auszug aus dem Artikel von H-J. Müllenmeister, Anderwelt-Online.com